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You're never too young to be a dirty old fan

Medienvorsorge 01/12


„Wirf alle deine Skrupel über Bord und tu was du willst!”

Bei der Produktion und Vermarktung seines neuen Buches Sex, Love & Rock´n´Roll – Was Sie schon immer über Pop wissen wollten (aber nicht zu fragen wagten) kommen dem Autor Hollow Skai seine Erfahrungen als unabhängiger Musikproduzent und freier Journalist zugute. Medienvorsorge.de  unterhielt sich mit ihm über die Vor- und Nachteile künstlerischer und wirtschaftlicher Selbstständigkeit.

Sie waren erst selbstständig, dann angestellt und arbeiten nun frei. Vom Betreiber des Punk-Labels No Fun Records zum Kulturredakteur des stern und schließlich zum Buchautor und Lektor von Pop-Biografien – welches Arbeitsverhältnis hat Ihnen am besten gefallen?

Dass Bands ihre Platten selbst produzieren und vertreiben, war 1980 noch ziemlich neu und entsprechend aufregend. Beim stern durfte ich dann etwas „große Welt” schnuppern; und Bücher zu lektorieren oder zu schreiben macht einfach Spaß. Man kann es aber auch so sehen: No Fun war reine Selbstausbeutung, beim stern bekam man kein Gehalt, sondern Schmerzensgeld, und als Freier ist man der Willkür und den Launen seiner Auftraggeber ausgesetzt. Trotzdem war ich mit all meinen Arbeitsverhältnissen zufrieden. Und wenn etwas nicht mehr stimmte, habe ich eben die Konsequenzen gezogen und es beendet oder den Job gekündigt.

Bei dem Independent-Label No Fun waren Sie so eine Art Geschäftsführer, studiert hatten Sie aber Politik und Germanistik…

Na und? Man muss ja als Geschäftsführer eines Punk-Labels nicht unbedingt strohdoof sein. Ich hatte mich bis dahin zwar nie sonderlich für das Finanzielle interessiert, brachte aber schon organisatorische  Erfahrung aus der Alternativpresse mit, die den heutigen Stadtmagazinen den Weg bereitet hatte. Es war wirklich schade: als wir endlich einen Überblick über unsere Finanzen hatten, ging die Neue Deutsche Welle auch schon den Bach runter. Wir fielen leider der inflationären Veröffentlichungspolitik der Ariolas und Zickzacks zum Opfer.

Außer Spesen nichts gewesen?

Spesen waren für uns damals ein Fremdwort. Wir betraten ja absolutes Neuland. Vor uns gab’s gerade mal das Schneeball-Label von Hippie-Bands wie Ton Steine Scherben und Embryo, mit dem wir kooperierten. Unser Verdienst bestand letztlich darin, einzelne Regionalvertreter zu einem bundesweiten Vertrieb vereinigt zu haben, aus dem dann später erst Efa und schließlich Indigo entstand, der heute größte Vertrieb von Indie-Musik. Die Erfahrungen, die ich damals gemacht habe, haben mich aber auch geprägt. Wenn man weiß, dass man etwas notfalls auch selbst machen kann, ist man nicht mehr erpressbar.

Nach dem Niedergang der Neuen Deutschen Welle waren Sie erst freier Journalist, dann Chefredakteur eines Stadtmagazins und schließlich Kulturredakteur beim stern

Ja, das hat sich so ergeben und war nie geplant. Als sich unsere Platten nicht mehr verkauften, musste ich zusehen, dass ich mit was anderem meine Brötchen verdiente, und so wurde ich freier Journalist. Das reichte mehr schlecht als recht zum Leben, aber ich lernte auch, selbstständig und selbstdiszipliniert zu arbeiten. Den Schädelspalter (Anm. d. R. hannoversches Stadtmagazin) habe ich in seiner damals tiefsten Phase übernommen, konsolidiert und modernisiert. Das war ebenfalls eine sehr lehrreiche Erfahrung, und als ich dann zufällig zum stern kam, weil die Fachzeitschrift neue medien, die mich nach Hamburg gelockt hatte, eingestellt wurde, war natürlich alles eine Nummer größer aber strukturell ähnlich. Ich kannte die Arbeitsabläufe, wusste welche wirtschaftlichen Faktoren eine Rolle spielen etc. Und so gute Arbeitsmöglichkeiten und Kollegen wie beim stern hat man ja selten – die vermisse ich schon manchmal.

Warum haben Sie dann gekündigt, wenn alles so wunderbar war?

War es ja eben nicht. In den fünfeinhalb Jahren, in denen ich beim stern war, wurde das Rad mindestens drei Mal neu erfunden, ohne dass das Heft merklich besser wurde. Es gab eine kurze Phase, in der der Herausgeber Rolf Schmidt-Holtz den stern zu alter Größe führte, aber dann verlor er wieder das Interesse daran und widmete sich höheren Aufgaben. Als ich dann den vierten Chefredakteur in fünf Jahren erlebte, war ich zunächst voller Hoffnung, dass sich grundlegend etwas ändern würde, aber die legte sich sehr schnell und ich kündigte. Ich war von dem Job ja nicht abhängig und hatte auch keine Angst, micht wieder als freier Journalist durchzuschlagen.

In den vergangenen zehn Jahren haben Sie hauptsächlich  Bücher geschrieben oder lektoriert. Haben Sie das Interesse am Journalismus verloren?

Jein. Mein erstes Buch nach langer Zeit, In A Da Da Da Vida, erhielt recht gute Kritiken und verkaufte sich ganz ordentlich. Die Arbeit daran war sehr erfüllend gewesen, und außerdem wird einem als Buchautor auch mehr Respekt entgegengebracht als einem freien Journalisten. Irgendwann fragte mich dann mein Verleger, ob ich nicht auch mal ein Buch lektorieren wolle — so schloss sich der Kreis, schließlich hatte ich einst Germanistik studiert.

Kann man denn von Büchern leben?

Wenn man Charlotte Roche heißt – ja! Alle anderen müssen natürlich mehrgleisig fahren. Ich habe zum Beispiel auch einen Lehrgang über Biografisches Schreiben für eine Fern-Uni entwickelt, für die ich auch als Fernlehrer arbeite. Ich lektoriere vier, fünf Bücher im Jahr, schreibe selbst eins nach dem anderen und gelegentlich auch Features für Zeitschriften und Magazine. Ohne eine solche Mischkalkulation kann man als Freier heute nicht überleben.

Was sollte man noch als Freier beachten? Dass man gut versichert oder Mitglied der VG Wort ist?

Das kann nie schaden. Vor allem sollte man aber flexibel sein und sich umorientieren können, wenn es erforderlich ist. Die Zeiten, da man sein Leben lang nur einen Arbeitgeber hatte, sind definitiv vorbei. Und auch die Arbeitszeiten haben sich verändert. Als Freier musst du nicht spätestens um zehn im Büro präsent sein, dann kannst du auch im Café sitzen und den Vormittag genießen. Ich arbeite zum Beispiel gerne bis spät in der Nacht oder am Wochenende, und ich denke nicht daran, mit 65 damit aufzuhören; angesichts meiner Rentenerwartung wird mir allerdings wohl auch nichts anderes übrigbleiben.

Viele Freie kommen ja nicht damit zurecht, nie zu wissen, wovon man morgen seine Miete bezahlen soll. Was können Sie Ihnen raten?

Das kann in der Tat an den Nerven zehren, aber daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Wie heißt es doch so schön? Immer wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Auftrag her. Aber im Ernst: Da die wenigsten Freien genug verdienen, um Rücklagen für schwere Zeiten zu bilden oder eine Lebensversicherung zur Aufbesserung der Rente abzuschließen, sollte man sich auch um ständige Einnahmen bemühen, die einem wenigstens die Miete sichern, wenn die lukrativen Jobs ausbleiben, und sich auch nicht zu fein sein, für kleinere Magazine oder Zeitschriften zu schreiben. Kleinvieh macht schließlich auch Mist. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht verzettelt und die eigenen Ziele aus den Augen verliert – und notfalls auch mal Aufträge ablehnen.

Aber sind denn die Freien nicht die Ersten, auf deren Dienste man im Zeitalter des Internet und des Auflagenschwunds verzichtet?

Ja, aber sie sind auch die Ersten, die all die neuen Möglichkeiten nutzen können, die das Internet bietet. Noch ist es ja Utopie, aber schon morgen werde ich meine Artikel oder Bücher via Amazon oder per Download auf meiner eigenen Website verkaufen können. Die Zeiten, wo man vor desinteressierten und ahnungslosen Redakteuren und Verlegern niederknien muss, sind bald endgültig vorbeit. Das wird allerdings nur funktionieren, wenn Autoren künftig auch verlegerisch denken, sich nicht nur als Edelfeder verstehen, sondern sich auch selbst vermarkten. Oder wie es J.R. Ewing mal ausgedrückt hat: „Wirf alle deine Skrupel über Bord und tu was du willst!”

 

 

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