skaichannel

You're never too young to be a dirty old fan

Interview mit mir selbst

In einer Zeit, in der alle darüber jammern, dass niemand mehr liest, hast du mit skaibooks einen neuen Verlag gegründet. Ist das nicht reine Geldverschwendung?

Pardon, aber es stimmt einfach nicht, dass niemand mehr liest. Im Gegenteil: Heute wird mehr gelesen als je zuvor. Nur eben keine Bücher mehr, sondern Flyer, Gebrauchsanweisungen und Kurznachrichten auf Twitter oder Instagram. Was dazu geführt hat, dass vor allem jüngere Leser keine längeren Sätze mehr verstehen, geschweige denn bilden können. Aber zu deiner Frage: Natürlich lässt sich mit Büchern nicht so viel Geld verdienen wie mit dem Verkauf von sexuellen Dienstleistungen, pharmazeutischen Schmerzmitteln oder Vintage-Gitarren. Als Callboy wäre ich in meinem Alter aber wohl nicht mehr der Renner. Mit der Pharmaindustrie hatte ich noch nie was am Hut. Und ich bin auch nicht scharf darauf, Zahnärzten oder Rechtsanwälten Gitarren als Geldanlage aufzuschwatzen. Dagegen macht es mir immer noch großen Spaß, Bücher zu schreiben und zu produzieren. Und deshalb haben Tine Rost und ich mit skaibooks unseren eigenen Indie-Verlag gegründet — weil wir es können.

Die skaibooks werden von Books on Demand (BoD) gedruckt und ausgeliefert. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Nachdem sich mein langjähriger Partner Friedel Muders von Fuego aus dem Buchgeschäft zurückgezogen hatte, musste ich mich notgedrungen nach anderen Möglichkeiten umsehen, damit meine Bücher weiterhin lieferbar sind. Hellborns Memoiren eines Rockstar-Mörders hatten wir ja seinerzeit in Polen drucken und von Jaro und Sortimentern ausliefern lassen. Das lief auch ganz gut, aber dieser Weg erschien mir doch sehr mühselig, schließlich schreibe ich lieber, als Pakete zu packen und sie zur Post zu bringen. BoD nimmt uns diese Arbeit ab und sorgt dafür, dass sie in zig Online-Shops angeboten werden, als gedruckte Ausgabe und als E-Book. Und außerdem beliefert BoD auch die Buchhandlungen, in denen man skaibooks problemlos bestellen kann, weil alle eine ISBN-Nummer haben.

Das hat Vor- und Nachteile …

Ein Vorteil ist zweifellos, dass nicht unnötig Papier verschwendet wird und keine Lagerhaltungskosten anfallen. Gedruckt wird nur, was bestellt wird – somit leistet auch skaibooks seinen Beitrag zu einem bewussteren ökologischen Umgang mit Ressourcen. Der Nachteil besteht natürlich darin, dass unsere Bücher nicht in Buchhandlungen ausliegen. Aber dieses Problem hat auch jeder andere Klein- oder Independent-Verlag. Die vielgepriesenen stationären Buchhandlungen bieten eben auch nur das an, was ihnen die großen Verlage aufdrücken oder was sich von selbst verkauft. Kaum ein Buchhändler weiß doch noch, welches Buch gerade in der FAZ, der Zeit oder der Süddeutschen besprochen wurde. Heutzutage kann man ja schon froh sein, wenn ein Buchhändler überhaupt in der Lage ist, ein Buch zu bestellen …

Das stimmt einen nicht gerade optimistisch …

Nein, nicht wirklich. Aber was willst du machen? Langfristig werden Bücher eh nur noch auf Nachfrage gedruckt, weil die Lagerhaltungskosten längst das größte Problem von Verlagen sind. Und wenn Buchhandlungen nicht bald damit anfangen, über den Tellerrand zu schauen oder sich zu spezialisieren, werden Versandhändler wie Amazon noch mächtiger.

Zahlen sich die vielen Einträge auf Facebook und Instagram denn aus?

Ehrlich gesagt, hatten wir uns mehr davon erhofft. Immerhin gibt es mit Gastromania und The Ghost Song zwei Neuerscheinungen … Bei Facebook habe ich zum Beispiel mehr als 1.600 Freunde und täglich kommen zwei, drei, vier dazu. Wenn jeder ein Exemplar kaufen würde und sich nicht nur bespaßen ließe, würde ich ja nichts sagen. So aber frage ich mich manchmal, ob ich mir die ganzen Facebook-Einträge nicht auch schenken kann. Andererseits höre ich von befreundeten Autoren, dass sie mit ihren Verlagen alles andere als zufrieden sind. Sie verkaufen unwesentlich mehr, klagen aber ständig, dass nichts mehr geht, nichts klappt und sie letztlich alles selbst machen müssen. Perspektivisch gesehen, fahre ich da besser und bin mein eigener Herr. Meine Bücher wird es solange geben, wie ich lebe, und landen nicht auf dem Grabbeltisch oder dem Recyclinghof, weil die Lagerkosten die Höhe der Einnahmen übersteigen. Ich komme auf meine Kosten und mir hat es schon immer Spaß bereitet, mein eigenes Ding zu machen. Ob mit meinem Fanzine No Fun, mit No Fun Records, dem skaichannel, den E-Books, der Herausgabe von Hellborns Memoiren eines Rockstar-Mörders oder nun eben mit skaibooks.

Samuel Hieronymus Hellborns Memoiren eines Rockstar-Mörders wurden auf skaibooks wiederveröffentlicht. Lemmy, David Bowie oder Prince kommen darin aber nicht vor. Ist eine Fortsetzung geplant?

Ja. Im Frühjahr 2021 soll Maybellene Hellborns Black List erscheinen, in der Hellborns Tochter aus ihrem Leben als Sterbebegleiterin von Popstars erzählt. Und vor kurzem ist ja bereits der zweite Teil der Hellborn-Saga erschienen, The Ghost Song, der davon handelt, wie ich mich auf die Suche nach Jim Morrison begeben habe, der seinen Tod 1971 bekanntlich nur vorgetäuscht hatte.

Und hast du ihn auch gefunden?

Gefunden: ja. Aber leider nicht persönlich getroffen. Immerhin habe ich mal mit ihm telefoniert, und für The Ghost Songhat er mir auch seine „Famous last Words“ überlassen, in denen er enthüllt, warum er damals ausgestiegen ist. Es war auf jeden Fall eine spannende Reise, die mich um die ganze Welt geführt hat.

Warum werden eure Bücher nicht in den Feuilletons besprochen?

Weil wir sie noch gar nicht bemustert haben. Das geschieht erst in der nächsten Phase. Für den Hellborn hatte ich jedenfalls so phantastische Kritiken bekommen wie noch nie für ein Buch. Das Deutschlandradio lobte diese „herrlich bösartige Erzählung des Punk-Urgesteins Hollow Skai“. Laut N24 waren Hellborns Memoiren „ein Muss für Fans von historischen Romanen“. Das Rock-Magazin Eclipsed kürte Hellborn zum Buch des Monats und schrieb: „Die Musikgeschichte, wie wir sie kennen, muss umgeschrieben werden!“ Für Good Times war das „Infotainment auf höchstem Niveau“. Und der musikexpress fand den Hellborn „äußerst unterhaltsam“.

Generell muss man aber sagen, dass Bücher, die im Print-on-Demand-Verfahren gedruckt werden, noch immer von den Feuilletons beharrlich ignoriert werden. Selbst die FAZ bespricht lieber unsägliche Schwarten wie Der neunte Arm des Oktopus, einen Thriller, den der Drogerie-König Dirk Rossmann mit ganzseitigen Anzeigen und Spots direkt vor der Tagesschau bewerben ließ, um seine Eitelkeit zu befriedigen.

Was stört dich denn daran? Bist du etwa neidisch?

Mit Neid hat das nichts zu tun. Aber ich empfinde es als Armutszeugnis, dass dieser Schund überhaupt verlegt wurde, und als Skandal, dass sich hier ein alter weißer Mann ein Autoren- und Recherche-Team kauft, um sich einen Thriller schreiben zu lassen, als dessen Autor er sich dann ausgibt – und dass das von keinem Rezensenten oder Talkshow-Moderator hinterfragt wird. Wenn so ein eitler Emporkömmling dann noch Unmengen an Geld für Werbung dafür ausgibt, was sich kein Verlag leisten kann, und „sein“ Buch wie Seife vermarktet, empfinde ich das als obszön.

Zurück zu skaibooks. Warum liegen eure Bücher denn nicht im Buchhandel aus?

Kleinere oder familiengeführte Buchhandlungen argumentieren ja meistens, dass sie zu wenig Platz hätten. Für so unsägliche Schwarten wie Der neunte Arm des Oktopus findet sich aber immer noch ein Plätzchen, obwohl es das auch in jedem Drogeriemarkt von Rossmann gibt. Sogar in meiner Buchhandlung um die Ecke, die sich immer noch damit brüstet, dass sie vor ein paar Jahren als eine der besten deutschen Buchhandlungen ausgezeichnet wurde.

Vielen ist die Preisspanne wohl auch zu gering. Bei einem Endverkaufspreis von Euro 9,99 verdient eine Buchhandlung „nur“ Euro 3,49 an einem Buch. Das ist mehr, als BoD, wir als Verlag oder ich als Autor erhalten, den meisten Buchhandlungen aber immer noch zu wenig, um sich die Mühe zu machen, eins zu bestellen. Wir kommen somit wohl nicht umhin, unsere Preise zu erhöhen.

Deine Rio-Reiser-Biografie Das alles und noch viel mehr war bereits 2006 bei Heyne erschienen, wurde dann später von Fuego neu aufgelegt und jetzt auf skaibooks wiederveröffentlicht. War die Nachfrage so groß?

Mit der Rio-Biografie ist es wie mit den Platten von Rio und den Scherben: sie verkaufen sich nicht so massenhaft, dass sie in den Charts auftauchen, sind aber sogenannte Longseller und erfreuen sich einer ständigen Nachfrage. Und die Reiser-Biografie ist ja auch immer noch die einzige Biografie, die es über Rio gibt.

In „Gastromania“ erzählst du im Stil von In A Da Da Da Vida Geschichten aus der Gastronomie. Bist du endlich auf den Geschmack gekommen?

Wieso endlich? Einen guten Geschmack habe ich schon immer gehabt. Und ich habe bereits 2004 die Geschichte der Roten Gourmet Fraktion geschrieben und in den letzten fünf Jahren für die Gastro Vision gearbeitet, eine kleine, aber umso feinere Alternative zu ausschließlich kommerziell orientierten Gastromessen wie der Internorga. Ein Buch mit Geschichten über Beck’s & Lachs & Rock’n’Roll war einfach überfällig. Die Idee dazu stammte übrigens vom Doktor, der den Look der Gastro Vision geprägt hat. Mille grazie!

Stichwort Köche: In Gastromania heißt es, seitdem Köche ihre Hauben abgesetzt und sich die Arme tätowiert hätten, seien sie nicht länger Halbgötter in Weiß, sondern die neuen Popstars. Ist das nicht etwas übertrieben?

Diese Bezeichnung ist durchaus angebracht. Das Mise en place ist sozusagen der Soundcheck einer neuen Generation von Köchen. Ein Menü gleicht der Setlist einer Band. Und wenn ein Restaurant seine Türen öffnet, heißt es: It’s Showtime! In einer Küche dröhnt oft Punk Rock aus dem Lautsprecher, weil Kuschelrock die Arbeitsleistung senkt. Beim Kochen wird mitunter improvisiert wie sonst nur auf der Bühne eines Live-Clubs. Und so wie im Pop, wo es darauf ankommt, Grenzen zu überschreiten und immer wieder neue Akzente zu setzen, wird heute auch gekocht: Wild und leidenschaftlich, intensiv und explosiv. Die Beatlemania war gestern, die Gastromania ist heute.

Welche Bücher werden im Frühjahr bei skaibooks erscheinen?

Zunächst einmal eine Anleitung, wie man seine Autobiografie schreibt. Ich betreue ja schon seit mehr als zehn Jahren einen Lehrgang über das biografische Schreiben, den ich allein konzipiert habe und der von mehreren Fernunis angeboten wird, und habe bereits etwa 75 Bücher für verschiedene Verlage lektoriert, überwiegend Autobiografien. Da möchte ich meine gesammelten Erfahrungen weitergeben. Mit Maybellene Hellborns Black List beende ich vorerst die Hellborn-Saga. Von unserer ersten Verlagsautorin Holly Jane Dieffenbach erscheint ein moderner Groschenroman — Liebe ist nur ein Gefühl. Und außerdem schreibe ich gerade meine Autobiografie, die wohl unter dem Titel Der letzte Poscich erscheinen wird.

Mr. Skai, ich bedanke mich für das Gespräch.

Du mich auch.

 

 

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