All to nah No. 22
Die neue Ausgabe der Rundschrift für Anhänger_innen des Altonaer Fußball-Clubs von 1898, All to nah, hat auch mich zum Thema Helden und über Pop und Fußball interviewt. Da dieses mit viel Herzblut gemachte Fanzines immer schnell vergriffen ist, hier das Interview, das Pfadfinder Jack aka Martin Sonnleitner mit mir geführt hat:
Gibt es zwangsläufig Schnittstellen zwischen Fußball, Musik und deren exponierten Personen, die als solche auch eine Vorbildfunktion haben?
Noel Gallagher, der ja ein großer Fan von Manchester City ist, meinte mal, dass Fußballer leider keinen guten Musikgeschmack hätten. Das ist oft der Fall: Marco Reus hört gerne Justin Bieber und Roman Weidenfeller ist Helene-Fischer-Fan. Und Rio Ferdinand hat mal gesagt, dass England immer verloren hat, habe daran gelegen, dass David Beckham seine langweilige Musik vorher in der Kabine gespielt habe. Thomas Berthold hat dagegen immer AC/DC gehört, um sich vor dem Spiel heiß zu machen. So etwas brauchst du auch, Musik, die dich gleich auf Betriebstemperatur bringt und pusht. Da kannst du nicht so ein Popgesäusel spielen.
Es gibt ja auch den Spruch, jeder kleine Junge hat einen Traum: entweder Popstar oder Fußballprofi…
Schon im Songtext der Stones von Street Fighting Man heißt es ja: „Well, what can a poor boy do. Except to sing for a rock ‘n’ roll band“. Entweder Fußball oder Musik, gerade für Kinder aus der Arbeiterklasse, die es ja so nicht mehr gibt, war das immer ein Anreiz, um ihre Situation zu verbessern.
Ist da gleich Narzismus am Werke oder ist man erste einmal froh, die soziale Leiter aufgestiegen zu sein und ein wenig Geld zu haben?
Den meisten Spielern kann man doch nicht übel nehmen, was sie von sich geben. Ein 18-Jähriger, der nur Fußball im Kopf hat, hat gar keine Zeit, sich um was anderes zu kümmern. Die sollte man dann unmittelbar nach dem Spiel auch nicht über andere Dinge befragen. Es gibt nur wenige Fußballspieler, die wir wegen anderer Dinge anhimmeln, weil sie noch drüber hinaus denken.
Brauchen Helden nicht immer auch was Subversives, eine Nische?
Im Prinzip ja. Alle Stars oder Helden müssen sich gegen etwas Bestehendes durchsetzen und etwas Neues schaffen, in der Kunst wie im Fußball. Ein Netzer hat die Spielkultur verändert. Auch Breitner hatte Bezug zu anderen Sachen. Er hat ja damals in den 70ern mal bei Ton Steine Scherben angeklopft. Es gibt immer Spieler, die herausragen. Fußballerisch, aber auch vom Intellekt. Özil ist ein genialer Spieler, ich möchte den aber nicht unbedingt kennenlernen, die Gespräche wären bestimmt einsilbig. Auch Klose wäre für mich als Jugendlicher keine Leitfigur, kein Idol. Uwe Seeler ist ein lieber netter Mann, hat aber eher ein schlichtes Gemüt, obwohl er super Tore geschossen hat.
Ist Justin Bieber nicht auch ein Held?
Schweinsteiger ist auch einer, das ist aber purer Mainstream. Das ist die Ebene der „Bravo“. Die stellen keine Leute vor, weil sie sozial engagiert sind. Ich fand es letztes Jahr bemerkenswert, dass sich die brasilianische Nationalmannschaft auf die Seite der Demonstranten gestellt hat. Dass die deutsche Nationalmannschaft sagen würde: Schaltet die Atomkraftwerke ab, wäre undenkbar, auch wenn das vielleicht einige denken.
Sind die gescheiterten Helden, die besseren Helden?
Ich fand es immer spannender, wenn es gebrochene Figuren waren. Wenn jemand zu gradlinig war, hatte er meistens nichts zu erzählen. Meine Helden waren eher Leute wie Kurt Cobain. Im Fußball ist George Best da ein gutes Beispiel. Ein großer Alkoholiker, der aber verehrt wird, weil er gerannt ist, wie es kein Zuschauer konnte. Richtig gut finde ich Mehmet Scholl. Der hat was in der Birne und einen guten Musikgeschmack. Scholl hat ja zwei Sampler zusammengestellt und ist im Independent-Bereich verwurzelt, mit Sportfreunde Stiller befreundet. Deren Song „54 74 90 2010“ war auch viel, viel besser als „Wir sind schon auf dem Brenner“.
Der AFC lebt ja mit seiner Fankultur durch den Lokalkolorit, will nicht ins werbeträchtig inszenierte Rampenlicht der Öffentlichkeit. Sind Helden nicht oft auch Lokalmatadore?
Die Zeiten sind ein wenig vorbei, gerade in Altona. Durch die schleichend verlaufene Gentrifizierung wird so ein Stadtteil ganz schön verändert. Vor zehn Jahren gab es noch einen Autokorso, als die Türkei gegen Deutschland gewonnen hat, jetzt gibt es hier immer weniger Türken. Dir läuft auch kein Spieler mehr beim Bäcker über den Weg. Das kreative Potential braucht aber Raum, den es sich erobern kann. Hier ist jedoch alles schon vergeben. Ein armer Poet kann sich hier keine Dachkammer mehr leisten. Ottensen ist fast schon so langweilig wie Eppendorf. Diese Stadtteile sind nicht mehr kreativ. Kunst kommt aber immer von unten. Jede neue Musik entwickelt sich im Underground. Eine der wesentlichen Punkparolen war ja auch, Held für einen Tag zu sein. So wie Bowie es in „Heroes“ besingt.
Ist es per se nicht ein Widerspruch, links und liberal in der geistigen Haltung zu sein und mit dem Helden-Begriff etwas anfangen zu können, was ja immer irgendwie auch mit Hierarchie zu tun hat?
Ein Held ist für mich nicht jemand, den man anhimmelt, wobei man sich aufgibt, sondern jemand, der einen inspiriert, selbst etwas zu machen. Ich fand Iggy Pop immer gut, weil er eine unglaubliche Energie hat. Das war eine Erweckung, die hat mich aus meiner Lethargie gerissen und mir gezeigt, du kannst etwas anderes machen, wenn du nur willst. Deshalb ist es immer wichtig, ein Idol oder Vorbild zu haben. Das muss kein Weltstar sein. Es ist beim Fußball ähnlich. Wenn einer was will und richtig heiß ist, motiviert das mehr, als wenn er nur seinen Stiefel runterspielt.
schoenes interview Hollow.
Schöne Worte, sprechen mir aus der Seele. Fussballfan bin ich durch und durch, Goerge Best habe ich leider nie erlebt, nur aus Erzählungen allerdings empfinde ich Symphatien für ihn. Helden beim Fussball waren für mich Sócrates (der Geniale) , Wladimir, Eric Cantona, Paul Breitner, Gianluca Vialli und Thomas Broich. Sie waren nicht “nur” Helden des Fussballs sondern Helden des Lebens, jedenfalls für mich.
Toller Blog jedenfalls!