Retromania
Vor ein paar Jahren erschien im Hannibal Verlag Simon Reynolds’ großartige und mehr als ausführliche Geschichte des Post-Punk — „Rip It Up And Start Again“. Sie verkaufte sich nur sehr mäßig, weshalb er lange Zeit keinen Verlag für sein Buch über die „Retromania“ fand, in dem er ebenso ausführlich erklärt, „warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann“. Nun ist das schwergewichtige Werk doch noch erschienen, in dem kleinen, aber feinen Ventil Verlag, und für die deutsche Ausgabe hat Reynolds ein Nachwort verfasst, in dem er die „weltweite Rezeption“ von „Retromania“ reflektiert.
Ich würde lügen, wenn ich hier den Anschein erweckte, es ganz gelesen zu haben; solch ein Buch lässt sich nicht mal eben zwischendurch besprechen, und um es zu rezensieren bedarf es der eingehenden Lektüre der 422 Seiten, auf denen sich Reynolds mit Revivals, Reissues und Remakes, Retrospektiven und Rockumentationen beschäftigt und auch noch recht wissenschaftlich den Begriff der Nostalgie definiert. Zu allem Überfluss hat der Lektor Reynolds’ Einleitung und seinem Prolog auch noch ein Vorwort hinzugefügt, in dem von Popismus und ähnlichen Theorie-Konstrukten die Rede ist — und das einem die bevorstehende Lektüre eher verleidet, als es dazu animiert. Kurz und gut: Wer die aktuelle Popmusik nicht nur konsumieren, sondern auch ihre Hintergründe und Auswirkungen verstehen will, sollte „Retromania“ lesen. Das kostet zwar Zeit, wird aber belohnt — mit Erkenntnissen eines akribischen Musikjournalisten, der, so der „Guardian“, den Zeitgeist versierter „aufgespürt und beschrieben hat“, wie wohl kein Anderer.