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Literaturhotels

Eins der 63 Bücher, die ich 2020 gelesen habe, möchte ich schnell noch hervorheben, bevor sich das Jahr zu Ende neigt — Barbara Schaefers mit Geschichten gefüllten Bildband über „Literaturhotels“ (BusseSeewald), der natürlich nicht alle versammelt, in denen Schriftsteller untergekommen sind und so manches Buch entstanden ist, aber doch viele, in denen man gerne einmal zu Gast wäre.

Zum Beispiel im Sylter Hotel Budersand, dessen Bibliothek von Elke Heidenreich zusammengestellt wurde, die aber schon bald erkennen musste, dass dort Leute Urlaub machten, die einen anderen Geschmack als sie haben, die am Strand lesen wollen, nach dem Essen oder im Spa, wobei die Bildbände sofort geklaut wurden: „Da gehen dicke Schmöker in der Regel nicht, aber Rosamunde Pilcher sollte es auch nicht sein.“
Oder im Pera Palace in Istanbul, das u.a. Anlaufpunkt von Graham Greene und Sarah Bernhardt, Paul Theroux, Umberto Eco und Ian Fleming, Ernest Hemingway und Paolo Coelho war und in dem Agatha Christie ihren wohl bekanntesten Krimi, „Mord im Orient-Express”, schrieb.
Oder, vor allen anderen, im The Library auf Koh Samui, in dem die Zimmer Pages heißen und die Suiten Chapters.

Berlins erstes Luxushotel, das Adlon Kempinski, in dem Wilhelm II. sich von Damen besuchen ließ, Nobelpreisträger logierten und in dessen Ruine, Brecht und Helene Weigel ein halbes Jahr wohnten, fehlt ebenso wenig wie das Waldhaus Sils Maria im Engadin, in dem Hermann Hesse und Donna Leon, Thomas Mann und Friedrich Dürrenmatt, Adorno und Einstein gastierten und Chabrol „Rien ne va plus“ drehte. Und in dessen Gästebuch Loriot schrieb: „Zumeist lohnt eine Reise nicht, was immer sie zuvor verspricht. Nur wer sich hier im Waldhaus bettet, ist ein für alle Mal gerettet.“

Mal begab sich Barbara Schaefer ins Hotel Fondazione Monte Verità im Tessin, wo Erich Mühsam inmitten von Anarchisten, Vegetariern und Künstlern Ruhe fand. Mal ins Victoria Hotel Letterario in Triest, in dem James Joyce, als er noch Englischlehrer war, den „Ulysses“ begann. Und mal ins Grand Hotel Excelsior Vittorio in Sorrent, in dem Caruso, Humphrey Bogart, Rita Hayworth, Gina Lollobrigida und Pavarotti Ferien machten und Lucio Dalla „Caruso” schrieb und komponierte.

Sie beschreibt, wie Zelda und F. Scott Fitzgerald im Belles Rives in Juan-Les-Pins die Cote d’Azur erfanden, wie Oscar Wilde im April 1895 Belmond Cadogan im Londoner Stadtteil Chelsea verhaftet wurde, wo J.K. Rowling „Harry Potter” beendete (im The Balmoral in Edinburgh), Somerset Maugham und Joseph Conrad abstiegen (im The Mandarin Oriental in Bangkok) und welches Hotel von Kaisern und Königen, den Rothschilds und Krupps, Schauspielern wie Cary Grant und Richard Burton, Elizabeth Taylor und Audrey Hepburn, aber auch von D.H. Lawrence bevölkert wurde (das Belmond Grand Hotel Timeo in Sizilien). Und natürlich fehlt auch nicht das New Yorker Algonquin Hotel, in dem sich ein literarischer Zirkel um die Theaterkritikerin Dorothy Parker traf, die nie ein nettes Wort sagte, weil sie immer ein bösartigeres zur Hand hatte. Und das sind keineswegs alle Schauplätze, die sie im Laufe vieler Jahre aufgesucht hat und deren Geschichten sie nun für Literaturbeflissene und geschichtsbewusste Reisende aufbereitet hat. Daumen hoch!

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