Lehrbuch für Jungredakteure
Aus seiner Verehrung für Peter Handke hat der Bochumer Musikjournalist und Schriftsteller Wolfgang Welt nie ein Geheimnis gemacht. Immer wieder hat er ihn in Plattenkritiken oder Buchrezensionen mit größter Sympathie erwähnt, doch das ist nicht der Grund, warum Handke sich vor ein paar Jahren beim Suhrkamp-Verlag dafür eingesetzt hat, dass der Welts Romanwerk „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“ wiederveröffentlicht. Im Vorwort zu der von Martin Willems herausgegebenen Sammlung von Welts Texten aus den Jahren 1979 – 2011 würdigt Handke dessen Werk vielmehr als „grundandere Art von Geschichtsschreibung“ — und trifft damit den Kern. Erst die Zusammenstellung seiner Plattenkritiken und Buchbesprechungen, Kampfansagen an Heinz Rudolf Kunze und Auseinandersetzungen mit Herbert Grönemeyer macht deutlich, dass Welt zwar stets ein Chronist des Ruhrgebiets war, aber es eben immer durch seine eigene Brille gesehen hat — wie das zu Beginn der Achtzigerjahre in den aufblühenden Stadtmagazinen, für die er geschrieben hat, üblich war. Für einen sensiblen Beobachter wie Welt war das alles aber irgendwann zu viel und er landete erst in der Psychiatrie und dann als Nachtwächter im Bochumer Schauspielhaus, wo er die Zeit nutzte, um drei Romane und gelegentlich Beiträge für Anthologien oder Zeitschriften zu verfassen. So stilbildend seine Schreibe für Pop-Literaten wie Benjamin von Stuckrad-Barre war, so sehr blieb ihm deren Erfolg bislang verwehrt. Das wird sich auch nicht durch die Herausgabe seines sorgsam editierten Gesamtwerks ändern, aber es ist immerhin ein Anfang. Und ein lehrreicher zudem: von Wolfgang Welts Textsammlung „Ich schrieb mich verrückt“ (Klartext Verlag) könnte so mancher Kulturredakteur lernen, wie er sich eine eigene Meinung über eine Platte, ein Buch oder die Welt bildet — und dass es nicht darauf ankommt, Klappen- und Promotexte abzuschreiben, um der Anzeigenabteilung einen Dienst zu erweisen. Und amüsant zu lesen — und gültig! — ist es auch 30 Jahre später noch, wenn Welt hofft, dass Marius Müller-Westernhagen bald seine Stimme verliert, oder Nina Hagen empfiehlt, doch endlich ins Kloster zu gehen.