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You're never too young to be a dirty old fan

Was würde Rio tun? (2)

… wenn du dich in deiner Beziehung nicht auf Augenhöhe befindest?

Fast jede Beziehung leidet darunter, dass der eine den anderen mehr liebt und mehr von ihm will, als der bereit ist, zu geben. Denn Beziehungen sind nur selten symmetrisch, und dass sich zwei Liebende auf Augenhöhe befinden und ähnlich starke Gefühle für einander empfinden, ist eher die Ausnahme als die Regel. Vielmehr ist es oft ein verzweifelter Kampf darum, dass der andere einen genauso liebt, wie man ihn, und meistens auch einer gegen Windmühlen, bei dem von vornherein feststeht, wer ihn verliert. Wer weniger liebt, hat immer die besseren Karten auf der Hand, und derjenige, der eine Beziehung beendet, also Schluss macht, befindet sich stets in der besseren Position. Während der Verlassene vor Selbstmitleid zerfließt, sein Schicksal bedauert und ohnmächtig zu verstehen versucht, warum der oder die Geliebte nicht mehr will und alle Gemeinsamkeiten und Hoffnungen scheinbar achtlos über Bord wirft, schließt der Stärkere mit allem ab und blickt nach vorn.

Rio kannte diese Situation zur Genüge. Im Song „Komm schlaf bei mir“, den er 1972 mit Ton Steine Scherben aufgenommen hatte, propagierte er die Gleichwertigkeit zweier Menschen, die zueinander finden: „Ich bin nicht über dir, ich bin nicht unter dir, ich bin neben dir.“ Doch auch er musste erkennen, dass dies nur ein frommer Wunsch ist und die Wirklichkeit anders aussieht.

Mit dem Song „Streik“ schlug er 1995 andere Töne an. Statt sich in seinem Leid zu suhlen, wie man das oft tut, wenn man verlassen wird, rief er sich selbst zum Streik auf: „Ich mach nicht mehr, was du mir sagst. Und ich funktioniere nicht mehr, ich pariere nicht mehr.“ Um seinem Ex dann noch gnadenlos hinterherzurufen, er könne ihn nun nicht mehr belügen und betrügen und dass er, Rio, für ihn ja nur eine Zahl und ihm völlig egal gewesen sei: „All deine Freunde hast du verbraucht, selbst deine Feinde verziehn sich jetzt auch.“

Das mag in Rios Fall sogar zugetroffen haben, wenngleich nur seine besten Freunde wissen dürften, auf wen diese Zeilen gemünzt waren. Meistens zielt ein solch nachträgliches Verächtlichtmachen desjenigen, den man eben noch geliebt hat, jedoch ins Leere oder schlägt das Nachtreten auf einen selbst zurück.

Gleichwohl wusste Rio, dass man bisweilen seine Trauer in Aktion umwandeln, seiner Enttäuschung freien Lauf lassen und nicht auch noch verstehen muss, warum man verlassen wurde. Denn die Suche nach dem Grund, warum eine Beziehung gescheitert ist, also dem Fehler bei sich selbst, verstärkt den eigenen Kummer nur und hilft einem nicht aus der emotionalen Talsohle heraus. Und so kann es mitunter nicht schaden, wenn man mal übers Ziel hinausschießt und den Ex verdammt und verflucht, um ohne ihn auskommen zu können.

Allerdings sollte man sich auch nicht allzu sehr darauf versteifen, denn wenn jener, der einen verlassen hat, wirklich so ein übler Zeitgenosse war, als den man ihn nun empfindet, hätte man sich ja gar nicht erst auf ihn eingelassen, oder?

Ein „Streik“ lindert jedenfalls nur kurzfristig den Herzschmerz, weshalb Rio am Ende sich und den Adressaten des Songs dazu auffordert: „Nimm’s leicht!“ Als wenn das so einfach wäre.

 

 

 

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