Hölle, Hölle, Hölle!
Ein Wort noch zu der „heldenhaften Leistung” (Olaf Scholz) der Polizei, die geholfen hat, mein Hamburg in Schutt und Asche zu legen. Auch ich war an besagtem Donnerstag zur „Welcome to Hell”-Demo auf dem Fischmarkt gegangen — nicht, um daran teilzunehmen, sondern um zu zeigen, dass es nicht angeht, eine Stadt in den Ausnahmezustand zu versetzen, um ein äußerst fragwürdiges Gipfeltreffen jener Staatschefs zu ermöglichen, die für die Kriege, die Not und das Elend in der Welt zumindest mitverantwortlich sind.
Zwei Tage zuvor hatte ich beim Cornern in Ottensen gesehen, wie ein solcher Protest friedlich verlaufen kann, wenn sich die Polizei zurückhält. Und irgendwie taten mir die Polizisten auch leid, die bei schwülem Wetter auf der Palmaille in ihrer Kampfausrüstung vor ihren Wannen schwitzten und auf ihren Einsatz warteten. Einige von ihnen standen über den Bürgersteig verteilt, und einer von ihnen hätte nur einen Schritt zurücktreten müssen, um mich durchzulassen. Obwohl ich weder einen Rucksack oder sonst etwas bei mir hatte und mit meinen 62 Jahren auch nicht gerade wie ein jugendlicher Autonomer aussehe, wurde ich gebeten, um die Fahrzeuge herumzugehen. Kopfschüttelnd tat ich das auch und traf dann auf dem Fischmarkt zufällig Karl Nagel, der einst die Chaostage in Hannover initiiert hatte und mir erzählte, dass mit Hartmut Dudde ausgerechnet derjenige den Polizeieinsatz leite, der vor ein paar Jahren bereits schon einmal im Schulterblatt eine Demonstration aufgelöst hatte, bevor sie überhaupt starten konnte. Karl meinte, dieses Mal würde er wohl dieselbe Strategie verfolgen, und das tat er dann ja auch.
Bevor die Demo aufgelöst wurde und man sich stritt, wer den ersten Stein geworfen oder ob die Polizei zuerst losgeknüppelt habe, verließ ich den Fischmarkt wieder in Richtung Palmaille — genau in dem Augenblick, als der Schwarze Block aus der Buttstraße um die Ecke bog, Parolen skandierte und in Kampfformation an die Spitze des Demonstrationszuges marschierte. Warum nur erinnerte mich dieser martialische Auftritt an Aufmärsche der SA? Und warum, fragte ich mich später, hatte die Polizei diesen Block nicht in der Buttstraße eingekesselt und festgesetzt, sondern ihn marschieren lassen? Weil auch sie die Konfrontation wollte?
Ich habe in diesen Tagen mit vielen über das gesprochen, was in Hamburg geschah, und wundere mich deshalb, dass Politik und Polizei nun erklären, sie hätten mit der kriminellen Energie terroristischer Gewalttäter nicht gerechnet. Wie bitte? Genau davor hatten sie doch gewarnt! Warum haben sie nicht den Schwarzen Block von den übrigen Demonstranten isoliert, als das noch leicht möglich war? Genügend Polizisten waren ja vor Ort. Und warum hatten sie die Demo ohne Auflagen genehmigt und vorsichtshalber schon mal Wasserwerfer in Position gebracht?
Allerdings muss sich auch der Veranstalter der „Welcome to Hell”-Demo, die Rote Flora, fragen, warum er keine Vorkehrungen getroffen hat, dass die Demonstration stattfinden kann. Dass es sich bei den sogenannten Autonomen oft nur um Hooligans handelt, die der Staatsgewalt zeigen wollen, wie wenig sie die Lage im Griff hat, und dabei rücksichtlos gegen jeden vorgehen, der sich ihnen in den Weg stellt, dürften Leute wie Andreas Blechschmidt (den ich im Übrigen schätze) doch nur zu gut wissen. Was haben sie sich davon versprochen, den Schwarzen Block in altbewährter Manier vorangehen zu lassen? Sich hinterher wie der Flora-Anwalt Andreas Beuth zu beklagen, dass die „sinnbefreite Militanz” das eigene Viertel demontiert habe statt sogenannte Bonzenviertel wie Pöseldorf oder Blankenese, ist jedenfalls ein Armutszeugnis und reichlich verlogen. O heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an.
Dass in der Schanze mal wieder eine Grenze übertreten wurde, ist ebenfalls nicht neu. In Kreuzberg kennt man das schon seit Jahren, und auch in der Schanze, wo Anwohner, die ein Feuer vor ihrer Haustür löschen wollten, von Polit-Hooligans attackiert wurden, während schaulustige Hipster (aus Blankenese?) Selfies vor brennenden Barrikaden machten und sich die Randale nicht entgehen lassen wollten.
Aber zurück zur Strategie der Polizei, die schon im Vorfeld darauf ausgerichtet war, mögliche Demonstranten einzuschüchtern und zu verunsichern, indem sie massiv gegen Protestcamps vorging, auch wenn diese gerichtlich genehmigt waren. Die 20 Staatsgäste und ihren tausendfachen Anfang zu beschützen und ihnen den Weg durch das autofreie Hamburg zu bahnen, erforderte allein schon immense Anstrengungen. Für den Schutz der Hamburger blieb da kaum noch Zeit, sodass man mehr oder weniger tatenlos zusah, wie vermummte Macho-Trolls wahllos Autos und auch kleine Läden abfackelten und die Stadt in Angst und Schrecken versetzten. Hauptsache, Merkel, Trump & Co. konnten sich in der Elphi erholen von einem Treffen, bei dem erwartungsgemäß kaum etwas herausgekommen ist — wobei man sich fragt, warum sie auch noch ein paar tausend Mitarbeiter dabei hatten: Um ein wässriges Abschlusskommunique zu erarbeiten? Das hätte man doch auch via Onlinekonferenz tun können.
Erschrocken bin ich denn auch nicht nur darüber, wie leicht Linke es Hooligans machen, die Initiative zu ergreifen, sondern auch darüber, wie ahnungslos und dumm sich die Verantwortlichen wie Olaf Scholz oder Andy Grote stellen und nun Krokodilstränen verschütten. Klaus von Dohnany oder Henning Voscherau wären anschließend wohl zurückgetreten, weil sie auch Hanseaten sind oder waren, die sich auch ihren Bürgern gegenüber verantwortlich gefühlt haben. Von Olaf Scholz, der sich nicht einmal bei den vielen freiwilligen Helfern bedankt hat, die geholfen haben, das Flüchtlingschaos etwas zu lindern, einst als Innenminister den Einsatz von Brechreizmitteln anordnete und sich nicht einmal entblödete, die Zuschauer des Anti-G20-Konzerts in der Barclay Arena an der Seite von Justin Trudeau zu begrüßen (wofür er gnadenlos ausgepfiffen wurde, aber darüber war in den Berichten nichts zu hören), kann man das aber wohl nicht erwarten. Wie skandierten die Ultras des FC St. Pauli auf der großen Demo am Samstag doch noch: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer verrät uns nie? St. Pau-li!”
Aus der Seele spricht mir übrigens Jasmin Schreiber in ihrem Blog LaVieVagabonde.
Foto: Stefan Schmitz