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You're never too young to be a dirty old fan

Sonntags in der großen Stadt


Die Spiele, die ich in den vergangenen Jahren am Millerntor gesehen habe, kann ich an beiden Händen abzählen. So gut wie unter Trainer Thomas Meggle, der von den Fans lautstark als Fußball-Gott verehrt wird (was soll’s, Jürgen Kohler war das auch schon mal), habe ich den FC St. Pauli allerdings lange nicht mehr gesehen.

Und so einseitig hat auch selten ein Schiedsrichter gepfiffen und den deutlich überlegenen Kiez-Club um seinen verdienten Sieg gegen den TSV München 1860 gebracht. Kein Wunder, dass das ganze Stadion am Ende „Schieber” rief und die Münchener Miezekätzchen verhöhnte: „Ihr seid ‘ne Schauspielertruppe!”

Der Sonntag konnte also nur noch besser werden. Und das wurde er dann ja auch, als Hannover 96 den grottenschlechten HSV, bei dem einzig und allein Lewis Holtby positiv auffiel, souverän 2:0 schlug und damit zunächst einmal auf einem Champions-League-Platz landete. Die Roten waren zu jeder Zeit wacher, zweikampfstärker, eine Idee eher am Ball, schalteten schneller um, passten genauer, erspielten sich Torchancen und lagen völlig zurecht bald in Führung. 96 hatte eben alles, woran es dem HSV fehlt: Selbstvertrauen. Und eine gute Mannschaft, die hinten gut steht und temporeich nach vorne spielt.

An so einen guten Saisonstart in der ersten Liga kann ich mich jedenfalls nicht mehr erinnern, seit ich sie 1965 zum ersten Mal gesehen habe; damals schlugen sie bei meinem ersten Bundesliga-Spiel überhaupt den deutschen Meister Werder Bremen und die Fans sangen: „Jedes Jahr ein Kind, jedes Jahr ein Kind, bis es 96 sind” — ein Fan-Gesang, den man übrigens mal wieder anstimmen könnte, heißt doch seit Jahren auch der Präsident der Roten so.

Abends spielten dann The Capitols im Home of Rock’n'Roll, dem Zwick in der Max-Brauer-Allee.  Wenn ihr Sänger — eine Diva-Mischung aus David Bowie und Rio Reiser — nicht mindestens fünf Mal gesagt hätte, dass sie aus München kommen, hätte man sie auch für eine Band aus Schweden halten können: mal heavy, mal theatralisch, musikalisch sehr versiert, menschlich liebenswert und unaffektiert und in ihrer Unterschiedlichkeit nett anzusehen. Auf ihr Debütalbum darf man jedenfalls gespannt sein.

Schau mer mal, wann sie ihren Durchbruch haben, die Voraussetzungen dafür bringen sie jedenfalls mit. Im Dezember spielen sie erneut in Hamburg, dann hoffentlich nicht an einem verregneten Sonntagabend, sondern vor mehr Leuten und in einem Club, in dem auch ihr Publikum verkehrt und nicht die Generation der Elvis-Fans und Harley-Fahrer. Aber da müssen sie halt durch, wenn aus ihnen was werden soll.

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1 Kommentar

  1. cool article. 96 auf platz drei. ha!

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