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… wenn deine große Liebe mit dir Schluss gemacht hat?

Etwas Schlimmeres, als von demjenigen verlassen zu werden, den man liebt, gibt es nicht, von Kriegen, Krankheiten und Katastrophen mal abgesehen, zumindest empfindet man das subjektiv so. Wenn eine Beziehung, die man selbst für intakt hielt, obwohl die erste Verliebtheit bereits verflogen war, und die nach der Phase der reflektierenden Auseinandersetzung gerade erst neue Fahrt aufgenommen hatte, wenn eine solche Liebesbeziehung also jäh beendet wird, verkrampft sich der Magen. Dann bekommt man weiche Knie und man fühlt sich zu schwach zum Arbeiten oder um Freunde zu treffen. Dann wacht man mitten in der Nacht auf, kann nicht mehr schlafen, grübelt stundenlang , wie es dazu kommen konnte, und starrt die Wand an. Der Gedanke daran, morgen wieder allein in seinem schwedischen Bett aufzuwachen, schnürt einem schier die Kehle zu. Und manchmal wird einem sogar im wahrsten Sinne des Wortes das Herz gebrochen und man erleidet einen Herzinfarkt. Mir ist das selbst schon mal passiert, zweimal sogar, um genau zu sein, und beide Male hat mir Rio geholfen, zu überleben.

Auf seinem letzten Solo-Album „Himmel & Hölle“ besang er den Morgen, nachdem ihn sein Lover verlassen hatte. Im Song „Straße“ versuchte er trotzig mit der neuen Situation klarzukommen, um nicht wie ein Häufchen Elend zu jammern und zu weinen: „Du kommst nicht mehr zurück, ich weiß Bescheid, doch das wirft mich überhaupt nicht aus der Bahn. Ich hab nur halt wieder mehr Zeit für ‘nen langen Roman.“

Das Schöne an Romanen ist ja, dass sie einen in eine andere Welt entführen und den Alltag um einen herum vergessen lassen. Deine Freundin hat dich verlassen? Dann lies den Roman von T.C. Boyle, aus der du ihr gestern noch vorgelesen hast, allein zu Ende. So gewöhnst du dich allmählich wieder ans Alleinsein. Und besorge dir am besten gleich noch einen zweiten, der umfangreich und spannend genug ist, um dich eine Zeit lang abzulenken.

Kein Alkohol ist zwar auch keine Lösung, aber ein guter Roman bewirkt, dass du dir nicht 24 Stunden am Tag den Kopf zermarterst, warum du verlassen wurdest, ob sich das nicht wieder einrenken lässt und was nun werden soll. Solche Grübeleien bringen nichts, sondern machen dir nur das Herz schwer. Und darauf solltest du es nicht ankommen lassen.

Wenn einer Schluss macht, fühlt sich der andere immer hundeelend. Dann mag man nichts mehr essen, möchte man am liebsten den Kopf ausschalten und sich wieder im Mutterbauch verkriechen, wo es so schön warm und man geborgen und behütet war. Das ist keine Frage des Alters, sondern kann dir mit 16 ebenso passieren wie mit 60.

Natürlich sollte jeder durch Nachfragen herausfinden, warum er verlassen wurde, und die Gründe analysieren, um beim nächsten Mal nicht wieder so fassungslos und ohnmächtig dazustehen. Dagegen ist wirklich nichts zu sagen, aber Rio wusste auch, dass eine Beziehung dadurch nur in den seltensten Fällen wieder gekittet werden kann, und dass man dafür vor allem Zeit benötigt, viel Zeit: „Ach, vielleicht haben wir ja beide schrecklich Recht.“ Man wisse schließlich manchmal erst nach hundert Jahren, wer sich falsch und wer sich echt verhalten habe, doch dann sei „es uns wahrscheinlich auch egal“.

Als Rio diesen Song schrieb, war er Mitte 40 und hatte bereits einige gescheiterte Beziehungen hinter sich. Er wusste bereits, dass „nach dem ersten ,Ich liebe dich’ die Tage gezählt” sind und machte sich keine Illusionen mehr, dass alles wieder so werden könnte, wie es früher einmal war. Stattdessen blickte er trotzig nach vorn und machte sich selbst Mut: „Ich geh immer der Straße nach, immer der Nase nach, immer der Sonne hinterher, weiter in den neuen Tag.“

Das ist natürlich purer Zweckoptimismus, der deine Verzweiflung nur notdürftig kaschiert, aber was bleibt dir sonst übrig? Selbstmord ist schließlich keine Option. Und wenn du dich nicht mehr aus dem Haus traust, weil du glaubst, dir sei auf die Stirn geschrieben: frisch verlassen, dann lernst du auch nie einen neuen Lover oder eine neue Liebe kennen.

Also runter von der Couch. Ab auf die Straße. Immer der Nase nach und der Sonne hinterher. So schwer ist das gar nicht, und wenn dann Rios verhalten-beschwingte Stimme im Kopfhörer erklingt, trottest du nicht mehr geschlagen und gedemütigt dahin, sondern genießt federnden Schrittes die Sonnenstrahlen, die den Schnee schmelzen lassen. Der nächste Frühling kommt bestimmt. Und mit ihm auch eine neue Liebe. Man muss nur daran glauben.